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Sommer 1944

Autor : 
Julien LE BAS
Text erfasst von Etienne Marie-Orléach
Text vorgestellt und annotiert von Etienne Marie-Orléach
Übersetzung Helga Lux

1944 ist Julien Le Bas 20 Jahre alt und wohnt in Saint-Lô. 25 Jahre später zeichnet er diesen Bericht auf.

VORBEMERKUNG

Abgesehen von ein paar deutschen Bomben, die 1940 im Dorf Villeneuve auf der Straße Richtung Torigni-sur-Vire, einschlugen und zwei englischen Brandbomben, die 1941 oder 1942 zwei Häuser in der Rue de la Marne1Kurz nach ihrer Ankunft in Saint-Lô organisierten die deutschen Besatzer am 12. August 1940 eine Feier im Stadttheater. Wahrscheinlich war London über die Veranstaltung informiert worden und schickte Flugzeuge. Die Brandraketen schlugen nicht im angepeilten Ziel, sondern in Häusern der Rue de la Marne und der Rue des Menuyères ein. zerstörten, kam uns der Krieg nur in Gestalt der Überflüge der Alliiertengeschwader auf ihren Einsätzen näher.

DIE LANDUNG DER ALLIIERTEN

Durch die Landung der Alliierten auf unseren Stränden befindet sich die ganze Region mit einem Schlag an vorderster Front und Saint-Lô wird zu einem militärischen Ziel ersten Ranges.2Die strategische Bedeutung Saint-Lôs verdeutlicht hier der Bericht von Bernard Henry, der in der Umgebung der Stadt wohnte. Als er auf seine Karte sah, notiert er : "Plötzlich durchfuhr mich wie ein Blitz die schreckliche Wahrheit. Ich sah die Stadt, die ich bewohnte, wie eine Spinne inmitten ihres Netzes – ein Netz, in dem sechs Straßen die Achsen waren, sechs Straßen, die von einem Moment zum anderen strategische Adern ersten Ranges werden können. […]. Die Stadt und vielleicht andere dazu würde die so sehr ersehnte Befreiung teuer bezahlen, würde untergehen, damit andere französische Städte weiterleben könnten. Dieser Straßenknoten musste verschwinden, eine Barrikade, ein Hindernis werden, um den deutschen motorisierten Nachschub in ihrem Wettlauf zum Brückenkopf aufzuhalten. Die Katastrophe, die derart brutal um 8 Uhr eingetreten war, war nur eine düstere Vorwarnung. Das Schlimmste sollte erst noch kommen… (Nach B. HENRY, Un ermite en exil, Paris, A. Fayard, 1947, p. 18).

Während wir einem ungewöhnlichen Geräusch lauschen, das wie ein Trommelwirbel von der Calvados-Küste herüber klingt, erleben wir an jenem Abend des 5. Juni die erste ernste Vorwarnung.

Es war vielleicht Mitternacht, als die FLAK-Geschütze,3FLAK = Flugabwehrkanone, im Französischen: DCA, Défense Contre Avion (défense antiaérienne). die um die Stadt herum verstreut standen, auf ein Flugzeug losfeuerten, das erst in dem Moment sichtbar wurde, als es von einem Geschoss getroffen oberhalb des Theaters in Feuer aufging und nahe bei einem Bauernhof zerschellte, nicht weit vom Pont de Gourfaleur.

Vom brennenden Bauernhof wurden Mutter und Kinder gerade noch gerettet, die verkohlten, auf Kindergröße geschrumpften Körper der Piloten sind die ersten Schreckensvisionen einer Schlacht, die noch viele andere für uns bereithalten sollte.

Der Tag des 6. Juni sollte sehr turbulent werden. Das Kraftwerk von Agneaux4Dieses Kraftwerk, das den Großteil des Départements Manche versorgt, ist ein neuralgischer Punkt. Vier amerikanische Flugzeuge machen sich daran, es an diesem Vormittag des 6. Juni zu zerstören. und der Bahnhof wurden von Jagdbombern im Sturzflug angegriffen. Von der Rue Valvire aus, wo ich arbeitete, habe ich diese Fliegeraktion aus nächster Nähe mitverfolgen konnte. Die Flugzeuge flogen im Sturzflug auf den Bahnhof zu, warfen ihre Bomben über unseren Köpfen ab, zugleich feuerte die FLAK, die oben auf dem Mädchengymnasium auf der Straße Richtung Carentan stand, auf sie. Die Bahnhofsanlage war danach unbrauchbar geworden.

Am Nachmittag erreichten die ersten amerikanischen Gefangene die Feldkommandantur:5Auf deutsch im Originaltext. Die Feldkommandantur war der Sitz der deutschen Verwaltung im jeweiligen Département. So gab es in Saint-Lô die FK 722, in Caen die FK 723 und in Alençon die FK 916. Fallschirmjäger aus der Gegend von Sainte-Mère-Église, kräftige Kerle mit schwarz angeschmiertem Gesicht und einer für uns völlig neuen Ausrüstung.

Freude und Sorge wechselten sich ab: würde die Landung gelingen? Was würde nun passieren? Wie würde es uns dabei ergehen?

War dieser Befreiungskrieg, den wir von ganzem Herzen erhofft hatten, nicht im Norden von Frankreich am Tor zu England vorgesehen gewesen? Nein, es war die Region Basse-Normandie, die ausgewählt worden war.

In der Bar meiner Eltern rief mir gegen 19 Uhr 30 ein deutscher Soldat, ein Veteran von 1914, nachdem er seinen gewohntes Gläschen "Calva" getrunken hatte, beim Weggehen zu: "Amerikaner bumm bumm, großes Malheur." Es blieb uns nur noch eine halbe Stunde Ruhe!

DIE BOMBARDIERUNGEN

Wir wollten uns gegen 20 Uhr gerade zu Tisch setzen, als ich auf ein Flugzeugbrummen aufmerksam wurde. Innerhalb weniger Sekunden war die ganze Familie draußen und starrte auf den Himmel. Wir sahen gleich darauf über den großen Buchen zwei Geschwader "Fliegender Festungen" aus dem Osten in großer Höhe auftauchen. Zwei weiße Raketen lösten sich vom Flugzeug an der Spitze und sogleich wurden die Bomben abgeworfen.

Die zuerst kleinen schwarzen Punkte wuchsen im Handumdrehen und fielen schräg mit schrecklichem Getöse auf die Innenstadt zu. Ich war wie versteinert! Ich konnte den Blick nicht von dieser krachenden Masse lösen und blieb trotz der väterlichen Anordnungen und den elementaren Sicherheitsregeln aufrecht stehen. Es war ein fürchterliches Krachen, gefolgt von einer derart dichten Staubwolke, dass man von der Rue du Quatre-vingtième oben die Stadt nicht mehr erkennen konnte!6 Die Rue du 80ème RIT, die es heute noch in Saint-Lô gibt, bezieht sich auf das 80. Régiment d’Infanterie Territorial. Dieses Regiment war im 1. Weltkrieg eine Heeresabteilung für Männer im Alter von 34 bis 49 Jahren, die man für ein Regiment an vorderster Front zu alt hielt.

Verwirrt liefen die Leute durcheinander, nach Licht suchend und vor Angst schreiend, ohne das Ausmaß der Zerstörung richtig zu begreifen.

Schon erfuhren wir, dass eine Nachbarsfamilie in ihrem Haus wie in einem Betongrab eingemauert war, dass eine andere von einer mitten ins Speisezimmer eingeschlagenen Bombe ausgelöscht worden war. Überall nichts als Verwundete, unter den Trümmern Gefangene, lebende oder tote. Manche Häuser waren das Opfer der Flammen geworden. Innerhalb weniger Sekunden war eine friedliche Stadt zum Großteil zerstört.

Es war kein Moment der Freude und der Hoffnung mehr, sondern der Verzweiflung, der Vernichtung. Der Krieg war da, grausam, unmenschlich, schaurig hässlich.

Die Bombardierungen fingen gegen 22 oder 23 Uhr wieder mit voller Heftigkeit an. Die Nacht wurde schrecklich. Wo auch immer man Schutz suchte, nirgends gab es Sicherheit. Es ist unmöglich, die uns zermürbende Angst zu beschreiben, der Tod war allgegenwärtig und nur Glück konnte uns vor dem Schlimmsten bewahren.

Nach dem Bombardement von 20 Uhr haben wir das Haus verlassen und auf einem Bauernhof, der Ferme de la Ferronnière, Zuflucht gefunden, und zwar in einem der Wirtschaftsgebäude, wo wir von Flüchtlingen aus Cherbourg, die seit ein paar Monaten in Saint-Lô waren, empfangen wurden. Da ich meine Mutter und die anderen Überlebenden der Familie in Sicherheit wähnte, mache7Der Erzähler verwendet hier im Französischen wie auch oft an anderen Stellen ein "Imparfait", wo normalerweise ein "Passé simple" stehen würde, das eine einmalige und abgeschlossene Handlung kennzeichnet. Das "Imparfait" wird in Erzählungen verwendet, um Orte, Personen, gewohnte oder wiederholte oder im Hintergrund ablaufende Handlungen zu beschreiben. Diese eigenartige Verwendung des "Imparfaits" von Julien Le Bas ist symptomatisch für die Schwierigkeit des Erzählers, endgültig mit seiner Vergangenheit abzuschließen: die Kriegserinnerungen sind in seinem Gedächtnis noch allzu lebendig, immer noch aktuell. Im Deutschen erweckt das narrative Präsens denselben Eindruck von zeitlicher Nähe des Erlebten. ich mich auf die Suche nach anderen Verwandten, von denen wir keine Nachricht hatten. Aber gegen jede Erwartung wurde ihnen dieser Unterschlupf während des zweiten Bombardements beinahe zum Verhängnis. So ihr Bericht: "Die Wände schienen sich zu öffnen und der Fußboden bebte unter unseren Füßen, jeden Augenblick konnte das Gebäude in sich zusammenbrechen." Als das Trommelfeuer vorbei war, verließen wir daher den Bauernhof, um in den Hohlwegen Schutz zu suchen.

Mein Vater, ein Mitglied der "Défense passive",8Die Défense Passive (DP) ist eine während des Kriegs gegründete Organisation zum Schutz der Zivilbevölkerung. Nach der Landung der Alliierten kümmert sich die DP um die Flüchtlinge, organisiert den Rückzug der Zivilbevölkerung und ihre Nahrungsversorgung. war von diesem Bombardement überrascht worden, als er mit einigen Nachbarn eine in einem Bombentrichter eingeschlossene Familie zu befreien versuchte, und die sie nicht retten konnten, da es unmöglich war, die massive Betonplatte darüber hochzuheben. Der Länge nach ausgestreckt auf einem Abhang spürte er bald ein Gewicht auf dem Rücken, es war nur sein Jagdhund, der sich auf ihn gelegt hatte, wie um ihn zu beschützen.

Immer noch auf der Suche nach Verwandten befand ich mich auf der Höhe der fünf Wege, als die dritte Bombardierung begann. Schon bei den ersten Bomben warf ich mich zu Boden. Als ich wieder aufstand, sah ich, dass ich in einem Dornenbusch gelandet war, ich hatte die Stiche nicht gespürt. Als ich die Familiengruppe von La Ferronnière wiedergefunden hatte, verbrachten wir den Rest der Nacht in den Hohlwegen. Der Himmel war glutrot von den vielen Bränden. Wir hatten uns zusammengekauert, durchfroren, schweigsam, erschöpft vor Aufregung und von Angst zermürbt. Trotz allem habe ich nach dem dritten Angriff gegen einen Hang geschmiegt bis zum Morgengrauen geschlafen.

DIE MASSENFLUCHT9Durch die Bombenangriffe wurden Tausende von Bewohnern der Basse-Normandie dazu gezwungen, die Flucht zu ergreifen. Den ganzen Sommer lang werden die Straßen und Wegen von der Zivilbevölkerung gestürmt, die gezwungenermaßen oder nicht, die Kampfschauplätze verlassen. Einige Tage oder Wochen lang bewegen sie sich im Fußmarsch in weit von den Kämpfen entfernte Gebiete. In einem Keller oder einer Scheune schlafen wird zu etwas Gewöhnlichem und die Ernährungslage lässt zu wünschen übrig, trotz des "Beistands" durch die Bauern, auf die sie treffen. Am 6. und 7. Juni werden zahlreiche Städte verwüstet. Die davon großteils überraschte Bevölkerung ergreift selbst die Initiative, aus der Stadt aufs Land zu flüchten. Ein zweiter Grund bewegt in jenem Sommer 1944 die normannische Bevölkerung dazu, den Fluchtweg zu wählen: die Angst vor der näherkommende Front. Ein letzter Grund ist zu nennen, um den Aufbruch zu erklären. Die Deutschen wollten möglichst große Bewegungsfreiheit haben und befahl der Zivilbevölkerung, die Orte zu verlassen. Nach und nach zwingen die deutschen Truppen auf ihrem Rückzug die Bewohner zur Flucht. Ein Großteil der Zivilbevölkerung musste also seine Wohnungen verlassen. Bei der Massenflucht sind Tausende Bewohner der Basse-Normandie aufgebrochen. Ganze Familien fliehen zu Fuß oder im Pferdewagen und nehmen dabei nur wenige Sachen mit. Viele dieser Flüchtlinge folgen den Routen, die von den Vichy-Behörden vorgezeichnet waren. So sind im Département Manche drei Routen eingerichtet, die in die Départements Ille-et-Vilaine und Mayenne führen. Julien Le Bas durchwandert den Anfang der Route "Centre".

Sainte-Suzanne-sur-Vire

Wir verließen Saint-Lô früh am Morgen über die Hohlwege und kamen zum Bauernhof Coispel in Sainte-Suzanne-sur-Vire. Wir sollten etwa einen Monat dort bleiben. Wir kamen oft nach Saint-Lô zurück und gingen zum Bahnhof, um dort aus den aufgerissenen Waggons ein paar Lebensmittel zu holen, die ursprünglich für die Besatzungstruppen gedacht waren. Um in die Stadt zu gelangen, mussten wir die Wege nehmen, auf denen wir zur Flucht aufgebrochen waren. Wir haben verblüfft festgestellt, dass jeder einzelne Platz, wo wir während der Nacht kurz gerastet hatten, von einer Bombe getroffen worden war, die Intuition oder die extreme Angst der Frauen, wegen der wir immer weiter aufs Land gezogen waren, hatte uns das Leben gerettet.

Das Land in der Nähe der Stadt war von Bombenkratern regelrecht umgegraben worden. Es war eine einzige rauchende Trümmerlandschaft. Mitten in dieser Verwüstung traf ich Monsieur Lavalley und seine Familie. Freudig nahm er die Flasche "Byrrh",10Aromatisierter Aperitifwein. die ich aus dem Keller meiner Eltern geholt hatte, an. Ich hatte sie aufbewahrt, um meinen 20. Geburtstag an jenem 9. Juni zu begießen.

Auf diesem Bauernhof haben wir eineinhalb Wochen mit einer Abteilung deutscher Fallschirmjäger11Das ein paar Kilometer südlich von Saint-Lô gelegene Sainte-Suzanne-sur-Vire wurde schnell ein Verteidigungsposten für die Deutschen, ein richtiger Beobachtungsposten, von dem aus sie die Bewegungen der gegnerischen Truppen beobachten konnten. Durch alle diese Verteidigungsposten konnten die Deutschen die Alliierten in Schach halten. zusammen gelebt, die in der Umgebung von Saint-Lô kämpfte. Nach ein paar Tagen Erholung brachen sie wieder an die Front auf, wo eine harte Schlacht tobte. Von einem Bauernhof in der Nähe der Straße nach Torigni beobachteten wir das amerikanische Artilleriefeuer auf den Wald von Soulaire. Nach diesem schweren Beschuss waren wir nicht überrascht, dass die wenigen Überlebenden getragene Uniformstücke zurückbrachten, die die Frauen aus unserer Gruppe waschen sollten. Eine unangenehme Arbeit, denn die Uniformen waren blutbefleckt und oft voller Hautfetzen.

An einem Vormittag improvisierten sie nach der Rückkehr von der Front eine Trauerfeier vor zwei direkt auf den Boden gelegten und mit einem Leintuch bedeckten Körpern. Wir haben gesehen, wie diese rauen Kerle vor den sterblichen Überresten ihres Oberleutnants, dessen Kopf vom Rumpf gerissen war, die Tränen mühsam zurückhalten konnten und ihrem Anführer, den wir in den letzten Tagen regelmäßig getroffen hatten, die letzte Ehre erwiesen. Die Überlebenden brachen eines Abends endgültig auf, ein paar Tage danach trafen unser Dorf die ersten amerikanischen Granaten.

Da wir beschlossen hatten, Richtung Süden zu ziehen, fuhr ich gemeinsam mit Léon auf Fahrrädern unserer Gastgeber nach Percy, um unsere nächste Rückzugsetappe vorzubereiten. Obwohl wir über kleine Straßen fuhren, um dem Maschinengewehrfeuer auszuweichen, hielt uns ein deutscher Wachposten an einer Kreuzung in der Nähe von Moyon auf. Nachdem er uns über unser Ziel und den Zweck unserer Expedition befragt hatte, empfahl er uns mit Nachdruck die Straße von Saint-Lô nach Villedieu zu nehmen. Bei unserer Ankunft in Percy erfuhren wir von der Verhaftung der Widerstandsgruppe der Postbeamten von Beaucoudray.12Diese hauptsächlich aus Postbeamten zusammengesetzte Widerstandsgruppierung entstand Ende 1940. Von Geheimdienstaktivitäten für die Alliierten (über die deutschen Verteidigungsanlagen und die Truppenbewegungen) geht die Gruppierung ab dem 5. Juni 1944 zu Sabotageakten über, vor allem der deutschen Telefonanlagen. Auf einem Bauernhof im Gemeindegebiet von Beaucoudray verhaften am 14. Juni 1944 die Deutschen elf Mitglieder der Widerstandsbewegung der Postbeamten. Sie werden am nächsten Tag erschossen.

Das Glück an diesem Tag war, dass der Deutsche, der uns angesprochen hatte, gut Französisch konnte und bereit war, uns wohlwollend zu behandeln.

Auf dem Rückweg auf dieser Hauptstraße, die wir eigentlich vermeiden wollten, beobachteten wir vom Graben aus, in den wir uns geworfen hatten, den Maschinengewehrbeschuss eines deutschen Fahrzeugs, das die Scharfschützen zur Explosion gebracht hatten. Die Rückkehr auf den Bauernhof verlief ohne weitere Zwischenfälle.

Percy

Da sich die Kämpfe unserem Sektor näherten, beschlossen wir diesen Bauernhof zu verlassen und nahmen mit unseren überfüllten Schubkarren Kurs auf Percy über Chapelle-sur-Vire und Tessy-sur-Vire. Wir verbrachten die folgende Nacht in einem Haus zwei Kilometer vor Tessy. Die üblichen Bewohner, die lieber auf dem umliegenden Land übernachteten, hatten es uns für die Nacht anvertraut. Nach ausgezeichnetem Schlaf im Stroh machten wir uns wieder auf den Weg nach Percy, wo wir zwei Wochen blieben.

Von einem kleinen, verfallenen Haus auf dem südlichen Hügel, in dem wir untergebracht waren, hatten wir ein Luftgefecht mitverfolgt, ein eher seltener Zusammenstoß da es fast keine deutschen Flugzeuge gab. Durch unsere erhöhte Lage auf dem Hügel konnten wir in der Ferne eine ungewöhnliche Anzahl an Flugzeugen erkennen, die eine große Angriffsoperation ankündigte. (Es handelte sich um die Operation "Cobra".)13Da sie in "Heckenkämpfen" feststeckten, entwarfen die amerikanischen Strategen eine Angriffsoperation, um eine Bresche in die deutschen Verteidigungslinien zu schlagen. Diese Operation, die am 25. Juli 1944 startete, trägt den Codenamen "Cobra". Vor diesem Angriff gingen die Alliierten mit der üblichen Strategie der Bombenteppiche vor.

Am gleichen Tag bombardierten zwei Geschwader, eines den Bahnhof von Villedieu, das andere einen Bauernhof in Percy, um ein Munitionslager zu treffen, das von der Résistance gemeldet worden war. (Später eingeholte Information.) Die noch sehr lebendige Angst vor den Bombardierungen bewirkte, dass schnell ein erneuter Aufbruch in Erwägung gezogen wurde.

Sollten wir Richtung Meer aufbrechen oder immer weiter in den Süden des Départements? Die zweite Lösung wurde gewählt.

Villedieu

Wir nehmen unsere Flucht wieder mit den Schubkarren und über die kleinen Straßen Richtung Villedieu auf. Da wir die Stadt umgehen mussten, kamen wir auf die Straße nach Sainte-Cécile. Daraufhin sind wir von alliierten Flugzeugen entdeckt worden, die ohne langes Federlesen zum Sturzflug auf unsere Gruppe ansetzte. Die Panik war auf ihrem Höhepunkt, alle stürmten in den Straßengraben, jeder schützte sich, so gut er konnte. Wir entgingen knapp dem Beschuss, dank einem der unseren, der kühlen Kopf bewahrte und mitten auf der Straße sein Hemd schwenkte. Die Flugzeuge zogen wieder nach oben und verschwanden zur großen Erleichterung eines jeden von uns.

Chérence-le-Héron

Müde sowohl von der Aufregung als auch vom Fußmarsch beschlossen wir die Nacht in Chérence zu verbringen. Mit Erlaubnis des Bürgermeisters bezogen wir den Festsaal. Da er sich weigerte, uns Stroh zur Verfügung zu stellen, mussten wir auf den Bühnenbrettern schlafen. Da wir seit dem 6. Juni an diesen Mangel an Komfort gewöhnt waren, tat ein jeder sein Bestes, um sich auszuruhen.

Daraufhin kamen Flüchtlinge aus dem Marschland in diesen viel zu großen Schlafsaal. Ihre Heuwagen waren derart beladen, dass man geschworen hätte, dass es sich um einen kompletten Umzug handelt. Sie waren derart "diskret", dass wir einen scharfen Ton anschlagen mussten, auf die Gefahr hin, dass es zu einem Handgemenge kommt.14Ironisch gesagt: in Wirklichkeit machten sie derart viel Lärm, dass… Ihre Müdigkeit war mit der unseren nicht zu vergleichen, da sie ja von ihren Gespannen befördert worden waren.

Wir hatten uns spät hingelegt und wegen der Unbequemlichkeit schlecht geschlafen, da wurden wir im Morgengrauen von den Flugzeugen geweckt, die Kirchtürme der Dörfer dienten ihnen als Anhaltspunkt, um die Kreuzungen und die Straßen zu überwachen, auf denen sie auf alles feuerten, was sich bewegte. Wir sahen daraufhin ein atemberaubendes Ballett aus Maschinengewehrbeschuss von deutschen Fahrzeugen und Soldaten, die so unvorsichtig gewesen waren, aus ihren Wagen zu kommen.

Wir nutzten eine Gefechtspause, um unsere Expedition Richtung Süden fortzusetzen.

Saint-Nicolas-des-Bois

Wir meldeten uns im Schloss, wo ein Auffanglager, das von einem uns wohlbekannten Priester aus Saint-Lô, dem Abt Burnel, geführt wurde, von vielen Mitbürgern durchlaufen worden war.

Wir konnten dort zwar nicht unterkommen, aber wenigstens unseren Hunger stillen, bevor wir nach Brécey weiterzogen, wohin wir am Ende des Nachmittags über kleine Straßen gelangten.

Brécey

Die Leiter des Lagers15Dieses Lager befindet sich nicht in Brécey, sondern in der Nähe des Dorfs. ließen uns wissen, dass wir hier nicht vorgesehen waren und dass wir nach Brécey weiter gehen sollten.

Aber Fußballfreunde halfen uns aus der Patsche und schafften es, dass wir Lebensmittelkarten und ein Quartier bei Madame Guédon erhielten. Freundlich bot sie uns die freien Zimmer im ersten Stock an. Wir entschieden uns für den Stall, der den Vorteil hatte, ebenerdig zu sein und von wo wir schneller verschwinden konnten, wenn es nötig werden sollte. Die Angst vor den Bombardierungen war noch sehr lebendig.

Da passierte es, dass Gaston und Charles bei einem Besuch im Dorf, um sich um die Verpflegung zu kümmern, von einer Granatensalve überrascht wurden, die nur von den Deutschen sein konnte, da sie aus dem Osten kam. Die Alliierten waren in der Nähe von Brécey, es handelte sich wahrscheinlich um einen Fehlschuss!

Unser Bäcker erhielt Nachricht von den Kämpfen über sein Radiogerät, dass er in einem Winkel seiner Backstube verborgen hatte. Auch wenn wir deswegen über die Schlacht, die in vollem Gang war, Informationen hatten, wussten wir gar nichts über die deutschen Vorkehrungen in der Region.

Die Nachricht über die Ankunft der Amerikaner im Städtchen verbreitete sich wie ein Lauffeuer, es handelte sich tatsächlich aber nur um eine Patrouille.

Bei einer Unterhaltung mit Gaston im Garten wurden wir von einer Kugelsalve überrascht, die uns um die Ohren pfiff, bevor wir reflexartig hinter einem Granitpfosten in Deckung gingen, aber die Gefahr war schon wieder vorbei.

Wir wollten unbedingt die Alliierten sehen und beschlossen mit Yvette nach Brécey zu gehen, 500 Meter von unserem Aufenthaltsort entfernt. Wir hatten keine 100 Meter zurückgelegt, als wir plötzlich einer deutschen Abteilung gegenüber standen. Nachdem wir ihrer Aufforderung nachgekommen waren und ihnen die Straße nach Saint-Hilaire gezeigt hatten, kehrten wir schleunigst wieder zu unserem Quartier zurück, das wir den ganzen Tag nicht mehr verließen.

Über unseren Radioinformanten hatten wir vom deutschen Gegenangriff bei Mortain16Die in Rancoudray stationierten Deutschen starten am Morgen des 7. August 1944 eine Gegenoffensive. Das Ziel des"Unternehmens Lüttich" ist es, Avranches einzunehmen und die amerikanische Linien zu spalten, die sich auf die Bretagne zubewegen. Durch den Überraschungseffekt und dank dichtem Nebel gelingt es den deutschen Truppen Mortain wieder einzunehmen. Aber nur wenige Stunden später löst sich der Nebel auf und die alliierten Jagdbomber verursachen schwere Verluste in den deutschen Linien. Der deutsche Gegenangriffsversuch scheitert auch an zur Hilfe gerufenen amerikanischen Einheiten. erfahren, dessen Ziel es war, die alliierten Panzer zu isolieren. Nachdem sie Avranches eingenommen hatten, hielten sie die Brücke von Pontaubault.

Da Brécey seit ein paar Tagen in den Händen der Amerikaner war, konnte es zum wichtigen Kampfziel werden, an dem die Kolonnen von Panzern und anderen Geräten, die auf Saint-Hilaire zurasten, aufgehalten werden sollten. In diesem Fall liefen wir Gefahr, uns mitten in der Schlacht wieder zu finden.

Das Anwesen von Madame Guédon lag am Rande des Tals, in dem die Sée floss, zwischen den Brücken der Straßen nach Saint-Hilaire und nach Ducey. Dort war in Rekordzeit eine Landebahn für leichte Flugzeuge errichtet worden, die der Artillerie Informationen liefern sollte. Diese Landebahn war so kurz, dass eines der Flugzeuge mit dem Bug in den Fluss gekippt war.

Eines Morgens wurde eine Batterie mit vier Geschützen auf dieser Wiese aufgestellt, die ohne Unterlass in Richtung Mortain feuerte. Ob der Heftigkeit des Beschusses bedauerten wir die, auf die sie abzielten, wir kannten deren Wirkung, da wir ja das Gleiche mitten in der Nacht in Sainte-Suzanne durchgemacht hatten.

Eine auf den unteren Wegabschnitt gerichtete Panzerabwehrkanone, die bereit war, jeden noch so kleinen Einfall der feindlichen Panzer abzuwehren, war gegenüber unseres Gartentors aufgestellt worden, deswegen konnten wir der Geschützmannschaft Gesellschaft leisten, trotz der Gefahr, die wir nicht wahrhaben wollten. Unsere neuen Freunde warfen sich beim Vorbeiflug eines deutschen Jagdgeschwaders auf den Boden. Wir hatten unsererseits keine Zeit zu reagieren und waren im Gegensatz zu ihnen stehen geblieben.

Am Ende des Nachmittags verschwand diese ganze Kompanie im Handumdrehen und kam nicht mehr wieder.

Daraufhin mussten wir mitten in der Nacht ein Bombardement der deutschen Flugzeuge über uns ergehen lassen. Was wollten sie? Die Brücken oder die Geschützbatterie? Trotz dem Einsatz von Leuchtraketen war es ein voller Misserfolg, die Bomben fielen auf die Flussebene um die Sée. Einmal mehr hatten wir uns erst in Sicherheit gebracht, als die Gefahr bereits vorbei war. Das Misslingen des Gegenangriffs auf Mortain verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Alles was uns zu tun blieb, war der Verstärkung zuzujubeln, die Richtung Süden zog, dabei kamen uns nebenbei Zigaretten, Schokolade und Kaugummis zugute, die sie uns zuwarfen.

DIE RÜCKKEHR NACH SAINT-LÔ

Die deutsche Niederlage bei Mortain markierte das Ende der Schlacht in unserem Département.

Als endlich die Libération endgültig schien, hieß es, an die Rückkehr nach Saint-Lô zu denken. Auch wenn manche bereits auf den Zustand ihrer Häuser gefasst waren, weil sie während der Bombardierung am 6. Juni zerstört worden waren, überlegten wir, in welchem Zustand wir wohl unser Haus, das wir intakt zurück gelassen hatten, nach der schrecklichen Schlacht um die Einnahme der Stadt vorfinden würden.

Unsere Rückfahrt fand am 20. August statt. Sie war viel schneller und viel ruhiger als der Hinweg.

Ein Amerikaner war einverstanden, uns mit unseren Schubkarren in seinem GMC17Amerikanischer Allrad-LKW. mitzunehmen, als er mit leerem Wagen in die Gegend von Cherbourg, der Nachschubzone der alliierten Truppen, zurückfuhr.

Die Region Brécey und Villedieu waren weitaus verschont geblieben, aber nicht Percy und Saint-Lô. Es war ein apokalyptischer Anblick! Percy18Die Deutschen versuchen im Dorf Percy standzuhalten, als sie von den Amerikanern und deren Operation Cobra in die Zange genommen werden. Sie werden eingekesselt. Vom 29. Juli bis zum 2. August wütet die Schlacht: der Artilleriebeschuss, die Bombardierungen der Alliierten befreien das Dorf, aber als Ruine. und Villebaudon,19Im Rahmen der Operation Cobra und mit dem Ziel, den Nachschub der Deutschen abzuschneiden, will die 2. amerikanische Panzerdivision Villebaudon einnehmen. Der Ort erleidet heftigen Artilleriebeschuss vom 27. bis zum 28. Juli 1944. die in der letzten Kampfzone lagen, waren schrecklich mitgenommen worden, eine erbitterte Schlacht hatte sich in den beiden Orten abgespielt, die wegen der umliegenden Hügel leicht zu verteidigen waren. Zahlreiche zivile Opfer waren in diesen beiden Gemeinden gezählt worden.

Saint-Lô wiederum, das vom 6. Juni an bombardiert worden war und einen Monat lang das Grauen der Landschlacht mitgemacht hatte, war beinahe völlig vernichtet. Deswegen waren wir relativ zufrieden, als wir unser Haus nur zu 50% zerstört vorfanden.

Die erste Arbeit bestand darin, die Zimmer, die brauchbar erschienen, freizulegen und den Schutt zu entfernen. Die Fenster wurden mit Dachpappe anstelle von Glasscheiben abgedichtet. Mein Vater richtete seine Schmiede wieder her und sammelte Blech und anderes im Hof verstreutes Material ein, darunter auch Werkzeug; so konnte er sehr schnell der Nachfrage der Bauern nachkommen, deren Pferde seit dem Beginn der Massenflucht nicht mehr beschlagen worden waren.

Trotz des Mangels an Komfort hatten wir ein Dach überm Kopf, und so verbrachten wir den sehr strengen Winter 1944/45. In dieser prekären und zugigen Behausung ohne Heizung, ohne Fensterscheiben musste meine Mutter zweimal eine Lungenentzündung auskurieren.

SCHLUSSWORT

Obwohl jeder Tag uns die Namen von neuen Opfern preisgab, die wir großteils gut kannten, erfuhren wir sie ohne besondere Gefühlsregung, beinahe völlig gleichgültig.

War das, weil wir mehrere Male dem Tod entgangen waren, dass wir so traumatisiert waren, dass wir jedes Mitgefühl verloren hatten? Wir lebten noch, alles andere erschien uns zweitrangig.

Diese Befreiung, auf die wir seit vier Jahren gewartet hatten, hatten wir uns fröhlich vorgestellt, da wir davon überzeugt waren, dass die unausweichliche Landung der Alliierten weit von unseren Stränden stattfinden würde.

Wir waren so wenig vorbereitet darauf, derartiges Leid zu erleben, wir hatten nie an ein derartiges, sowohl ziviles wie militärisches Gemetzel gedacht. Waren all diese Toten, die oft auf Lebenszeit Verwundeten militärisch unumgänglich? Die Frage bleibt 50 Jahre danach bestehen.

Das Leben ging nach und nach wieder weiter, trotz allem, denn wir mussten 20 Jahre lang in einer Stadt, die sich in vollem Wiederaufbau befand, leben. Das Trauma ist lange lebendig geblieben und die Erinnerung getreu bewahrt, so dass diese Erzählung aus dem Gedächtnis stammt, ohne Rückgriff auf Geschriebenes.

Die Familien Le Bas Léon, Le Bas Charles, Le Lévrier Gaston haben diese Tragödie ohne Zwischenfall überstanden, das Glück hat sie nie im Stich gelassen.

Meine besondere Wertschätzung richtet sich an unseren Cousin René, dessen Stärke und Mut für uns während dieser gefährlichen Odyssee kostbar waren.

  • 1. Kurz nach ihrer Ankunft in Saint-Lô organisierten die deutschen Besatzer am 12. August 1940 eine Feier im Stadttheater. Wahrscheinlich war London über die Veranstaltung informiert worden und schickte Flugzeuge. Die Brandraketen schlugen nicht im angepeilten Ziel, sondern in Häusern der Rue de la Marne und der Rue des Menuyères ein.
  • 2. Die strategische Bedeutung Saint-Lôs verdeutlicht hier der Bericht von Bernard Henry, der in der Umgebung der Stadt wohnte. Als er auf seine Karte sah, notiert er : "Plötzlich durchfuhr mich wie ein Blitz die schreckliche Wahrheit. Ich sah die Stadt, die ich bewohnte, wie eine Spinne inmitten ihres Netzes – ein Netz, in dem sechs Straßen die Achsen waren, sechs Straßen, die von einem Moment zum anderen strategische Adern ersten Ranges werden können. […]. Die Stadt und vielleicht andere dazu würde die so sehr ersehnte Befreiung teuer bezahlen, würde untergehen, damit andere französische Städte weiterleben könnten. Dieser Straßenknoten musste verschwinden, eine Barrikade, ein Hindernis werden, um den deutschen motorisierten Nachschub in ihrem Wettlauf zum Brückenkopf aufzuhalten. Die Katastrophe, die derart brutal um 8 Uhr eingetreten war, war nur eine düstere Vorwarnung. Das Schlimmste sollte erst noch kommen… (Nach B. HENRY, Un ermite en exil, Paris, A. Fayard, 1947, p. 18).
  • 3. FLAK = Flugabwehrkanone, im Französischen: DCA, Défense Contre Avion (défense antiaérienne).
  • 4. Dieses Kraftwerk, das den Großteil des Départements Manche versorgt, ist ein neuralgischer Punkt. Vier amerikanische Flugzeuge machen sich daran, es an diesem Vormittag des 6. Juni zu zerstören.
  • 5. Auf deutsch im Originaltext. Die Feldkommandantur war der Sitz der deutschen Verwaltung im jeweiligen Département. So gab es in Saint-Lô die FK 722, in Caen die FK 723 und in Alençon die FK 916.
  • 6. Die Rue du 80ème RIT, die es heute noch in Saint-Lô gibt, bezieht sich auf das 80. Régiment d’Infanterie Territorial. Dieses Regiment war im 1. Weltkrieg eine Heeresabteilung für Männer im Alter von 34 bis 49 Jahren, die man für ein Regiment an vorderster Front zu alt hielt.
  • 7. Der Erzähler verwendet hier im Französischen wie auch oft an anderen Stellen ein "Imparfait", wo normalerweise ein "Passé simple" stehen würde, das eine einmalige und abgeschlossene Handlung kennzeichnet. Das "Imparfait" wird in Erzählungen verwendet, um Orte, Personen, gewohnte oder wiederholte oder im Hintergrund ablaufende Handlungen zu beschreiben. Diese eigenartige Verwendung des "Imparfaits" von Julien Le Bas ist symptomatisch für die Schwierigkeit des Erzählers, endgültig mit seiner Vergangenheit abzuschließen: die Kriegserinnerungen sind in seinem Gedächtnis noch allzu lebendig, immer noch aktuell. Im Deutschen erweckt das narrative Präsens denselben Eindruck von zeitlicher Nähe des Erlebten.
  • 8. Die Défense Passive (DP) ist eine während des Kriegs gegründete Organisation zum Schutz der Zivilbevölkerung. Nach der Landung der Alliierten kümmert sich die DP um die Flüchtlinge, organisiert den Rückzug der Zivilbevölkerung und ihre Nahrungsversorgung.
  • 9. Durch die Bombenangriffe wurden Tausende von Bewohnern der Basse-Normandie dazu gezwungen, die Flucht zu ergreifen. Den ganzen Sommer lang werden die Straßen und Wegen von der Zivilbevölkerung gestürmt, die gezwungenermaßen oder nicht, die Kampfschauplätze verlassen. Einige Tage oder Wochen lang bewegen sie sich im Fußmarsch in weit von den Kämpfen entfernte Gebiete. In einem Keller oder einer Scheune schlafen wird zu etwas Gewöhnlichem und die Ernährungslage lässt zu wünschen übrig, trotz des "Beistands" durch die Bauern, auf die sie treffen. Am 6. und 7. Juni werden zahlreiche Städte verwüstet. Die davon großteils überraschte Bevölkerung ergreift selbst die Initiative, aus der Stadt aufs Land zu flüchten. Ein zweiter Grund bewegt in jenem Sommer 1944 die normannische Bevölkerung dazu, den Fluchtweg zu wählen: die Angst vor der näherkommende Front. Ein letzter Grund ist zu nennen, um den Aufbruch zu erklären. Die Deutschen wollten möglichst große Bewegungsfreiheit haben und befahl der Zivilbevölkerung, die Orte zu verlassen. Nach und nach zwingen die deutschen Truppen auf ihrem Rückzug die Bewohner zur Flucht. Ein Großteil der Zivilbevölkerung musste also seine Wohnungen verlassen. Bei der Massenflucht sind Tausende Bewohner der Basse-Normandie aufgebrochen. Ganze Familien fliehen zu Fuß oder im Pferdewagen und nehmen dabei nur wenige Sachen mit. Viele dieser Flüchtlinge folgen den Routen, die von den Vichy-Behörden vorgezeichnet waren. So sind im Département Manche drei Routen eingerichtet, die in die Départements Ille-et-Vilaine und Mayenne führen. Julien Le Bas durchwandert den Anfang der Route "Centre".
  • 10. Aromatisierter Aperitifwein.
  • 11. Das ein paar Kilometer südlich von Saint-Lô gelegene Sainte-Suzanne-sur-Vire wurde schnell ein Verteidigungsposten für die Deutschen, ein richtiger Beobachtungsposten, von dem aus sie die Bewegungen der gegnerischen Truppen beobachten konnten. Durch alle diese Verteidigungsposten konnten die Deutschen die Alliierten in Schach halten.
  • 12. Diese hauptsächlich aus Postbeamten zusammengesetzte Widerstandsgruppierung entstand Ende 1940. Von Geheimdienstaktivitäten für die Alliierten (über die deutschen Verteidigungsanlagen und die Truppenbewegungen) geht die Gruppierung ab dem 5. Juni 1944 zu Sabotageakten über, vor allem der deutschen Telefonanlagen. Auf einem Bauernhof im Gemeindegebiet von Beaucoudray verhaften am 14. Juni 1944 die Deutschen elf Mitglieder der Widerstandsbewegung der Postbeamten. Sie werden am nächsten Tag erschossen.
  • 13. Da sie in "Heckenkämpfen" feststeckten, entwarfen die amerikanischen Strategen eine Angriffsoperation, um eine Bresche in die deutschen Verteidigungslinien zu schlagen. Diese Operation, die am 25. Juli 1944 startete, trägt den Codenamen "Cobra". Vor diesem Angriff gingen die Alliierten mit der üblichen Strategie der Bombenteppiche vor.
  • 14. Ironisch gesagt: in Wirklichkeit machten sie derart viel Lärm, dass…
  • 15. Dieses Lager befindet sich nicht in Brécey, sondern in der Nähe des Dorfs.
  • 16. Die in Rancoudray stationierten Deutschen starten am Morgen des 7. August 1944 eine Gegenoffensive. Das Ziel des"Unternehmens Lüttich" ist es, Avranches einzunehmen und die amerikanische Linien zu spalten, die sich auf die Bretagne zubewegen. Durch den Überraschungseffekt und dank dichtem Nebel gelingt es den deutschen Truppen Mortain wieder einzunehmen. Aber nur wenige Stunden später löst sich der Nebel auf und die alliierten Jagdbomber verursachen schwere Verluste in den deutschen Linien. Der deutsche Gegenangriffsversuch scheitert auch an zur Hilfe gerufenen amerikanischen Einheiten.
  • 17. Amerikanischer Allrad-LKW.
  • 18. Die Deutschen versuchen im Dorf Percy standzuhalten, als sie von den Amerikanern und deren Operation Cobra in die Zange genommen werden. Sie werden eingekesselt. Vom 29. Juli bis zum 2. August wütet die Schlacht: der Artilleriebeschuss, die Bombardierungen der Alliierten befreien das Dorf, aber als Ruine.
  • 19. Im Rahmen der Operation Cobra und mit dem Ziel, den Nachschub der Deutschen abzuschneiden, will die 2. amerikanische Panzerdivision Villebaudon einnehmen. Der Ort erleidet heftigen Artilleriebeschuss vom 27. bis zum 28. Juli 1944.
Katalognummer:
  • Numéro: TE593
  • Lieu: Mémorial de Caen
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